Zeitzeuge Tschernobyl beeindruckte

Der Zeitzeuge Adam Varanets, Liquidator der Katastrophe von Tschernobyl, besucht die Abendrealschule Rheine und warnt die jungen Menschen vor den Gefahren der Atomenergie.

Es wurde still im Klassenraum, als der 66-jährige Adam Varanets seinen Vortrag begann. Die Grausamkeit dieser Geschichte macht alle sprachlos. Damals im April 1986, als der Reaktor des Atomkraftwerks in Tschernobyl explodierte, wohnte Adam knapp 20 Kilometer von dem Unfallort entfernt. Er war ein glücklicher Lehrer, hatte eine kleine Familie mit zwei Kindern und ein Haus. Diese eine Nacht veränderte sein Leben und das von Hunderttausenden anderer Menschen für immer.

„Die Jugend von heute kann sich so etwas gar nicht mehr vorstellen. Keine Warnungen, keine Informationen, kein Internet und keine Smartphones. Die offiziellen Meldungen von der Katastrophe kamen vier Tage danach, und es lag nicht an der fehlenden Kommunikation, sondern an der Politik des damaligen kommunistischen Regimes“, erzählt Varanets.

„Uns wurde gesagt, alles sei unter Kontrolle. Nur durch die Mundpropaganda haben wir erfahren, was wirklich passiert ist“, fügt er hinzu.

Und selbst danach musste Varanets weiter seine Gesundheit aufs Spiel setzten, indem er bei der Dekontaminierung geholfen hat, bis im September, also über drei Monate nach der Explosion entschieden wurde, alle umzusiedeln. Er musste alles für immer verlassen, sein Heimatdorf und sein Haus. Mit gesundheitlichen Folgen hat seine Familie bis heute zu kämpfen.

33 Jahre nach der verheerenden Tragödie besucht Adam Varenets in Begleitung einer Dolmetscherin die Schulen – so jüngst auch die Abendrealschule Rheine an der Mittelstraße. Zwei Gründe hat er dafür: Erstens aus Dankbarkeit für die damals geleistete Hilfe, zweitens, um die junge europäische Generation für die Gefahren der Atomkraft zu sensibilisieren. Er möchte die Jugend davon überzeugen, endgültig gegen die Atomkraft zu sein und auch aktiv dagegen zu kämpfen.

„Leider hat unsere Regierung nichts aus den eigenen Fehlern gelernt und die geschichtlichen Hausaufgaben nicht gemacht“, warnt der Zeitzeuge. „Die Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima haben nicht gereicht, um der Atomkraft für immer nein zu sagen. Seit sieben Jahren wird ein neues Atomkraftwerk, nach dem gleichen Entwurf wie das in Tschernobyl, an der EU- Grenze, 30 Kilometer von der litauischen Hauptstadt, gebaut. Es ist erschreckend“, betont Adam Varents.

Doch er verliert die Hoffnung nicht und betrachtet seine Schulbesuche als eine wichtige Mission für eine bessere atomfreie Zukunft. Bis heute ist er sauer auf das Regime. „Ich werde den Anblick meiner kranken Kinder im Krankenhaus nie vergessen. Warum haben sie uns damals nicht gewarnt? Das Verhalten der Machthaber war ein Verbrechen, das nicht vergessen sein darf“, fügt Adam hinzu und bittet: „Vergesst nicht, dass ihr in einem demokratischen Land lebt und die Wahl habt.“ Am 26. April werden es 33 Jahre seit der Katastrophe in Tschernobyl.

Foto und Text dieser Seite: Weronika Anger