Die Absolventinnen und Absolventen der Abendrealschule Rheine feiern ihre Abschlüsse. Nach einem langen Kampf mit eigenen Schwächen und Stolpersteinen der schulischen Fächer haben sie den Realschulabschluss (mittlerer Schulabschluss) in der Tasche und ein stolzes Lächeln im Gesicht.
Während in den anderen Schulen die Halbjahreszeugnisse verteilt werden, endet in dem Weiterbildungskolleg in Rheine eine wichtige Etappe auf dem Bildungsweg und das ist immer ein besonderer Moment. Besonders sind nämlich auch die 14 Erwachsenen, die diesmal ihre Abschlusszeugnisse in den Händen halten. Fünf von ihnen haben sogar die Qualifikation geschafft und können sich jetzt auf den Weg in Richtung Abitur begeben.
Was für die Jugendlichen an einer Realschule einfach zu sein scheint, bedeutet für die Schüler der Abendrealschule, die oft im fortgeschrittenen Alter (ab 17) vormittags oder abends ihren Abschluss verbessern wollen, einen langen Kampf mit eigenen Schwächen und nicht selten mit den Schatten der Vergangenheit. „Schule war für mich immer ein rotes Tuch, geprägt von Mobbing, Leistungsdruck und Autoritätspersonen, die mir Angst machten“, erinnert sich Jasmin Sandmann, die als Semesterbeste mit dem Durchschnitt 1,8 ihren mittleren Schulabschluss geschafft hat. „Mit 17 habe ich einen miserablen Hauptschulabschluss erreicht, dann die Ausbildung hingeschmissen und wollte von der Schule nie wieder etwas wissen“, führt die 33-Jährige fort. Mit zunehmendem Alter jedoch fand sie das beschämend, wollte auch ein schönes Leben haben, mehr Geld verdienen, aber vor allem sich selbst beweisen, dass sie das erreichen kann, wovon sie eigentlich schon als Kind geträumt hatte: nämlich ein tolles Zeugnis, das viele Türen eröffnet. „Es war nicht einfach, zweimal habe ich mich angemeldet und dann aufgegeben, beim dritten Mal habe ich alles gegeben“, sagt die junge Frau und lobt ihre Schule: „Hier habe ich erfahren, dass Lernen, Spaß machen kann. Es ist nicht nur eine Schule mit Courage – es ist eine Schule mit ganz viel Herz“, sagt sie mit feuchten Augen. „Jasmin ist ein Organisationstalent, ich habe sie immer die „Musterlösungsverfasserin“ genannt, weil sie für die ganze Klasse akribisch mit viel Engagement die Aufgabenlösungen erstellt hat“, berichtet ihre Klassenlehrerin. „Sie wollte immer Tierpflegerin werden, ich sehe sie eher in einem journalistischen Beruf, weil sie wunderschöne Texte schreiben kann“, fügt Gabriele Hopp hinzu.
Auch Sven Grothaus, der Beste im Abendsemester ist stolz auf sein Ergebnis. Nach einem Fehlstart in einer Tagesrealschule, landete er zuerst an einer Hauptschule. „Erst später fand er den Weg zu uns“, erzählt seine Klassenlehrerin Doris Plumpe. „Ein Mann für alle Fälle, immer hilfsbereit und ideenreich. Der wird es auch weiter schaffen“, sagt sie zufrieden. Und das will er auch. „Die Fachoberschulreife ist nicht alles, was ich kann, jetzt will ich in Münster mein Abi machen“, weiß der 19-jährige jetzt schon. Für ihn bleibt der Unterricht abends die schönste Erinnerung. „Es ist sehr ruhig, überschaubar und entspannt. Die Lehrer haben mehr Zeit, weil wir in kleinen Lerngruppen lernen“, unterstreicht der junge Mann.
„Jedem Schüler bieten wir die helfende Hand an. Jeder hat eine eigene Geschichte, aber das was war, interessiert uns bei der Anmeldung nicht“, sagt die Schulleiterin. „Mit dem Eintritt in unsere Schule, im zweiten oder dritten Anlauf, ist der erste Schritt getan, bald Früchte ernten zu wollen, wenn man bereit ist, dafür die Fehler der Vergangenheit nicht noch einmal zu machen“, betont Christiane Beckmann-Veerkamp. „Unsere Frucht ist eben der bessere Abschluss, der neue Perspektiven im Leben eröffnet und nicht selten die Träume wahr sein lässt“, fügt sie hinzu.