Bundesweit steigen die Schulabbrecherquoten. Seit Beginn der Corona-Pandemie verlassen doppelt so viele junge Leute die Schule ohne Abschluss, beklagt das Familienministerium in Berlin. Die ARS Rheine ist auf diese Entwicklung eingestellt: Noch gibt es genügend Schulplätze, um den jungen Leuten die Chance auf einen Abschluss zu ermöglichen.
„Hauptschulabschluss, Realschulabschluss, Qualifikation verpasst? – Wir helfen“ – mit diesen Worten wendet sich die Schule des Zweiten Bildungswegs an alle, denen Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und die jetzt ohne Schulabschluss oder mit einem unbefriedigenden Schulabschluss nicht mehr weiter wissen. Und es sind keine leeren Worte.
Bester Beweis dafür, dass es trotz aller Schwierigkeiten funktionieren kann, sind 13 junge Erwachsene, die Ende Januar ihre Zeugnisse mit der Fachoberschulreife (mittlerer Schulabschluss) erhalten. „Auch bei uns hat die Pandemie Spuren hinterlassen. Wir haben in diesem Durchgang deutlich weniger Schülerinnen und Schüler, die es geschafft haben. Sonst waren es jeweils zweimal im Jahr um die 25-30 Absolventinnen und Absolventen“, sagt die Schulleiterin Christiane Beckmann-Veerkamp.
Das Lernen im Distanzunterricht war nicht für jeden machbar. Vielen fehlte zu Hause – trotz guter technischer Ausstattung – eine ruhige Lernumgebung. So haben sich einige Schülerinnen und Schüler bewusst dazu entschieden, die Klasse zu wiederholen, weil sie zuvor im Lockdown nicht allein lernen konnten und gemerkt haben, dass es zu schwierig geworden ist.
„Wir sind in diesem Bereich aber sehr erfahren, da wir immer schon junge Leute betreut haben, die im ersten Bildungsgang aus unterschiedlichen Gründen nicht zum Erfolg gekommen sind“, betont die Schulleiterin.
So war es mit Emmanuel Papaguianakes. Der 27-jährige Halbgrieche, der bis zum elften Lebensjahr in Athen wohnte, wollte nur einen besseren Hauptschulabschluss haben, um sich bei der Bundeswehr zu bewerben. Die Arbeit im Straßenbau hatte ihm hart zugesetzt. „Ich habe zwar gut verdient, musste aber jeden Tag um zwei Uhr nachts aufstehen“, berichtet der Schüler, „an der ARS habe ich Geschmack an Bildung gefunden und jetzt den mittleren Abschluss geschafft und noch einen Ausbildungsplatz als präparationstechnischer Assistent im Fachbereich Geowissenschaft gefunden“, fügte er stolz hinzu. Der Impuls kam im Erdkundeunterricht. Da beschloss Papaguiankes die Bundeswehruniform gegen die Arbeit mit Fossilien zu tauschen und in Zukunft vielleicht in einem geologischen Institut sein Brot zu verdienen.
Auch die Bulgarin Ayshe Myumyun, die vor knapp drei Jahren an die ARS kam, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, hätte nicht gedacht, dass sie so schnell das Abschlusszeugnis, sogar mit Qualifikation in der Hand halten würde. Dabei hatte sie schon in ihrer Heimat fast das Abitur in der Tasche.
„Meine Eltern haben hier einen guten Job bekommen, und ich musste ein Jahr vor der Abiturprüfung die Schule in Bulgarien abbrechen und von vorne anfangen. Glücklich war ich darüber nicht“, erzählt die heute 20-Jährige, die ihren Traum, Psychologie zu studieren, nicht aufgegeben hat und sich gerade um einen Platz am Berufskolleg bemühen möchte. „So ist das Leben! Man muss das Beste daraus machen“, ermuntert sie alle, die noch auf dem Weg zum Abschluss sind.
Text und Bild dieser Seite: Weronika Anger