Das Weiterbildungskolleg Rheine setzt ein Zeichen gegen Gewalt in der Schule. Die Lehrkräfte beschließen neue einheitliche Regeln, verbannen die Handys aus dem Unterricht und tragen bei einer Sonderveranstaltung in der Aula eindrucksvolle Statements vor der gesamten Schülerschaft vor. Das ganze Vorhaben heißt „Pädagogische Geschlossenheit“ und hat das Ziel, eine klare Kante bei diesem Thema zu zeigen.
Fast die Hälfte der Lehrkräfte in Deutschland berichtet von Problemen mit körperlicher oder psychischer Gewalt an ihrer Schule. Die Zahlen, insbesondere an Schulen in Nordrhein-Westfalen, steigen – wie die letzte Umfrage des „Deutschen Schulbarometers 2024“ im Auftrag der Robert Bosch Stiftung zeigt. Das Weiterbildungskolleg Rheine bleibt von dieser Thematik auch nicht verschont, will aber entschlossen dagegen kämpfen.
Kollegium spricht mit einer Stimme
„Es ist das Alltägliche, hin und wieder Konflikte, mal kleine, mal größere“, berichtet die Schulleiterin Christiane Beckmann-Veerkamp. „Insgesamt ist die Sprache der jungen Menschen salopper geworden, Beleidigungen auf den Fluren und auf dem Schulhof sind keine Seltenheit mehr“, bedauert sie. „Wir wollen aber zeigen, dass man diese Probleme lösen kann und sagen ganz klar, dass Menschen, die mit der Faust oder mit Worten andere verletzen an unserer Schule nicht Willkommen sind“, fügt Beckmann-Veerkamp hinzu.
Damit das auch keine leeren Worte sind, haben sich zwei junge Lehrerinnen, Jasmin Snyders und Matea Bumbar, etwas Besonderes überlegt. Das Vorhaben heißt „Pädagogische Geschlossenheit“ und ist in mehrere Schritte eingeteilt. „Die Bezeichnung kommt davon, dass das gesamte Kollegium eine Stimme spricht und somit an einem Strang zieht“, erklärt Jasmin Snyders. „Das schafft Transparenz für alle und erleichtert die Umsetzung der beschlossenen Regeln“, erklärt die 30-Jährige.
Keine heimlichen Fotos oder Videos
Der erste Schritt im Rahmen der „Pädagogischen Geschlossenheit“ war die Verbannung der Handys aus dem Unterricht seit Beginn dieses Schuljahres. Direkt danach gab es nach Einschätzung des Kollegiums weniger Konflikte, die zum Beispiel durch heimlich gemachte Bilder oder Videos entstanden sind.
„Der zweite Schritt folgte im Oktober und hat unsere Schülerinnen und Schüler sehr überrascht“, berichtet Matea Bumbar. „Wir haben gemeinsam Statements formuliert, dann uns alle in der Aula versammelt und diese feierlich vor der gesamten Schülerschaft vorgetragen, besonders beeindruckend war aber das Video, das die eine Klasse selbst erstellt hat“, erzählt die 26-jährige Lehrerin, „dieses zeigte einen Tag aus der Sicht des Opfers von schulischer Gewalt“.
Wie beide Lehrerinnen betonen, wurde die Veranstaltung ganz unterschiedlich von den Schülern aufgenommen. Die einen haben sich gewundert, weil sie glücklicherweise bislang keine Gewalterfahrungen gemacht hatten, die anderen waren sehr dankbar, weil es danach im Gespräch mit der Klassenleitung und den Klassenkameraden, die Möglichkeit gab, sich über die eigenen Probleme im Schulalltag auszutauschen. „Das nächste Etappenziel haben wir auf jeden Fall erreicht: Alle Schülerinnen und Schüler wissen jetzt, dass ihnen bei Problemen sofort geholfen wird“, versichern die Lehrerinnen.
Mehr Hilfe gegen Mobbing
Dafür hat die Schule eine zuverlässige Hilfsinfrastruktur geschaffen. Neben der Klassenleitung stehen den Jugendlichen speziell ausgebildete Beratung- und Vertrauenslehrkräfte sowie ein Sozialarbeiter zur Verfügung. Außerdem wird das gesamte Kollegium im November eine umfassende Fortbildung zum Thema Cybermobbing absolvieren. Für die Schülerinnen und Schüler wird ein Projekttag vorbereitet, an dem externe Partner interessante Workshops zum Thema Mobbing und Umgang mit Gewalt jeglicher Form anbieten werden.
„Es wird jetzt gehandelt und nicht weggeschaut – das ist unser Motto und wir werden nicht aufgeben“, versichert die Schulleiterin. „Wir sind eine Schule ohne Rassismus und Schule mit Courage – das bedeutet, dass jede Kultur, jede Religion und jedes Geschlecht hier geschätzt wird. Die Gerechtigkeit die momentan an vielen Orten in der Welt fehlt, wollen wir an unserer Schule leben“, betont Christiane Beckmann-Veerkamp.
Das Weiterbildungskolleg Rheine ist eine Schule der zweiten Chance. Gleich, ob man jung oder älter ist, ob man einen deutschen Pass oder einen Migrationshintergrund hat, ob man nur einen Hauptschulabschluss haben möchten oder vielleicht Abitur machen will und eine Qualifikation benötigt. Jeder zwischen 17 und 99 Jahren kann hier eine neue Chance auf bessere berufliche Zukunft bekommen.
Fotos: Julia Weschmann