Gewappnet für den Ernstfall

Diebstähle, Beleidigungen, nicht selten Drogenhandel oder Schlägereien – das ist leider zunehmend der traurige Alltag für viele junge Menschen. Um die Schülerinnen und Schüler für diese Themen zu sensibilisieren, organisierte die Abendrealschule Rheine ein Deeskalationstraining. Mit einem Profi erlebten die jungen Erwachsenen hautnah, was Gewalt ist und wie sie die vermeiden können, um ihr Leben zu schützen.

Als Frank Drath den Klassenraum betritt, wird es still. Seine muskulöse Gestalt, Militärhose und die große Aktentasche mit Polizeilogo erwecken schon auf den ersten Blick Respekt.

Dann die kurze Vorstellung: Kriminalhauptkommissar, zuständig für Prävention an der Dienststelle in Rheine. In diesem Moment scheint für die Schülerinnen und Schüler, die überwiegend einen Migrationshintergrund haben alles klar zu sein: Schon wieder eine Stunde mit Zeigefinger, Belehrungen und schlauen Sprüchen. Ein Irrtum.

Frank Drath setzt nicht auf Theorie, sondern auf Praxis. Er fragt die jungen Menschen zuerst nach ihren Träumen. Hier und da ertönt der Wunsch, Profifußballer zu werden oder einen guten Abschluss zu schaffen.

Dann wird eine banale Szene nachgespielt: Ein Schüler, der sein Traum-E-Bike am schulischen Fahrradständer abholen soll, wird plötzlich von einem Dieb überrascht, den der Polizist spielt. Alles sieht zuerst harmlos aus, bis er ein Messer zieht. Jetzt wird es selbst den mutigsten Schülern mulmig zumute. Keiner bemerkt dabei, dass das ein Gummimesser ist. Dann wird die Szene ausführlich reflektiert.

„Es ist nicht mein Ziel, den Schülern Angst zu machen, sondern sie zu sensibilisieren und ihnen zu zeigen, wo es Gefahren gibt, die ihre Gesundheit oder ihr Leben gefährden“, erklärt Drath. „Wir erlernen gemeinsam fünf Bausteine, die einem helfen, fast aus jeder Konfliktsituation gesund herauszukommen“, sagt der Kommissar, „es ist nämlich professioneller und stärker aus so einer Situation herauszugehen, als sich ihr zu stellen und das hat nichts mit Größe und Stärke zu tun, sondern das birgt extreme Gefahren, die ich auf diese Weise zeige“, fügt er hinzu.

Frank Drath weiß dabei, wovon er spricht. In seiner Arbeit hat er schon einiges erlebt. Seit fünfzehn Jahren ist er bei der Kriminalpolizei in Rheine, davon kümmerte sich zehn Jahre als Opferschutzbeauftragter um die Opfer schwerster Gewalttaten. Durch seinen Einsatz bei der Prävention in den Schulen, möchte er den jungen Menschen, wie er sagt, diese schreckliche Erfahrung, ein Opfer zu sein, ersparen.

Der 18-jährige Riyadh darf bei diesem Training für einige Sekunden erleben, wie es ist, mit einem Messer bedroht, um sein Leben zu zittern. „Zwar war das eine Gummiwaffe, die Situation hat mir aber gezeigt, wie schnell es gehen kann“, betont der junge Iraker. „In meiner Heimat lernen wir was ganz anderes“, erzählt Riyadh Ibrahim. „Wer sich einer Situation nicht stellt, ist ein Feigling, hat keine Ehre. Wenn man beleidigt wird, muss man zurückschlagen. Ich habe während dieses Trainings sehr viel gelernt, ich weiß jetzt, wie ich mich klüger verhalten kann“, gibt der 18-Jährige zu.

Und genau das ist das Ziel des Deeskalationstrainings. Es reiche heutzutage nicht mit dem Zeigefinger zu drohen, man müsse es spüren, sagt der Polizeibeamte. „Ich versuche mich deswegen auf die Ebene der Schüler zu begeben, um zu zeigen, dass zurückzuschlagen nicht der goldene Weg ist. Der größte Traum, den wir alle haben, ist gesund zu bleiben und das Leben zu genießen. Durch ein kluges Verhalten können wir diesen Traum auch leben und unser Risiko, verletzt oder sogar getötet zu werden, erheblich minimieren.

„Das Deeskalationstraining wurde auf Wunsch der Schülervertretung organisiert und wir werden sicherlich öfter auf das tolle Angebot der Polizei in Rheine zurückkommen“, sagt die Schulleiterin Christiane Beckmann-Veerkamp.

Text und Bild: Weronika Anger